Strategie, M&A, Entscheidungen, Management

Das Modell des Homo oeconomicus ist überholt.

Reihenweise Versuche der Sozioökonomie haben gezeigt: Menschen agieren nicht rational, sondern basierend auf ihren Emotionen. Entscheidungen werden oftmals im Nachhinein rationalisiert, fußen jedoch auf emotional verankerten Elementen. Die Erkenntnisse aus diesen Experimenten werden heute schon eingesetzt, um das Kaufverhalten von Kunden zu beeinflussen und taktische Wettbewerbsmaßnahmen zu definieren. Die Verhaltensforschung prägt aber nicht nur Marketingstrategien, sondern beeinflusst auch politische Diskussionen (aktuell beispielsweise zur Organspende). Fehlentscheidungen Einzelner, die bei wichtigen oder kapitalintensiven Vorhaben zu teuren Fehlern führen, liegen unter anderem gedankliche Vereinfachungen (Heuristiken) zugrunde, die in der Folge zu kognitiven Verzerrungen führen. All dies ist relevant, wenn wir geschäftliche Entscheidungen möglichst objektiv treffen wollen. Für die Entscheidung, welche Unternehmensstrategie die geeignetste ist, gilt es daher, mentale Modelle aufzubrechen und die Komplexität, die mit derartigen Prozessen verbunden ist, anzunehmen.

Irrationales Verhalten ist weiter verbreitet als grundsätzlich angenommen.

Ein Großteil der täglichen Entscheidungen geschieht reflexartig, indem vergangene Erfahrungen abgerufen werden. Unbewusst haben wir zu diesen Erfahrungen emotionale Bilder gespeichert, die unser Geist in aller Stille und mit hoher Schnelligkeit heranzieht und verarbeitet. Wir haben es der Evolution zu verdanken, dass wir so funktionieren. Alle Säugetiere mussten, um zu überleben, schnell entscheiden und agieren. Mutanten einer Spezies, die allein zu langem, bewusstem Nachdenken fähig waren, wurden gefressen, noch bevor ein Beschluss über die beste Lösung zur Vermeidung des Angreifers gefasst werden konnte. (Dies ist zwar nur eine persönliche Hypothese, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Darwin mir beipflichten würde.) Das heißt, die Evolution hat uns auf Geschwindigkeit getrimmt, was bedingt, dass wir uns auf unserem Weg durch das Leben in hohem Maße von Gefühlen und Impulsen leiten lassen.

Weit verbreitete Irrationalität zeigt sich zum Beispiel beim Streben nach unmittelbarer Belohnung. Schnelle Belohnung bei Menschen dominiert klar gegenüber dem Erzielen von langfristigem Mehrwert, insbesondere wenn Letzterer mit Aufwand verbunden ist. Ein Beispiel im Rahmen von privater Altersvorsorge: Der Aufwand, sich über unterschiedliche Produkte zu informieren, Einzahlungshöhen zu überdenken und Formulare auszufüllen, führte in den USA im Rahmen von 401(k)-Sparplänen dazu, dass nur 23 Prozent der Arbeitnehmer einen solchen Plan abschlossen, wenn sie dies aktiv tun mussten. Hingegen zahlten 81 Prozent der Arbeitnehmer in einen solchen Plan ein, wenn der Arbeitgeber die Registrierung hierfür übernahm. In Deutschland führen wir aufgrund dieser Erkenntnisse, die über zehn Jahre zurückliegen, derzeit eine Debatte über die Art und Weise der Registrierung zu freiwilligen Organspenden.

Das schnelle Entscheiden und unbewusste Denken ist Segen und Fluch zugleich.

Meist handeln wir durch unsere Erfahrungen schneller und in der Regel auch sicherer. Die berühmte Bauchentscheidung ist oft nicht die schlechteste, geht sie doch mit gemachten Erfahrungen und dem Gespür für unseren Markt und die Kunden einher. Manchmal täuscht uns jedoch das Bauchgefühl. So sind wir oftmals davon überzeugt, richtig zu liegen, wenn objektive Beobachter schon längst die kognitiven Verzerrungen erkannt haben, denen wir aufgrund unserer Emotionen unterliegen. Robert Brunner hat in seinem Buch Deals from Hellaufgezeigt, dass kognitive Verzerrungen eines von mehreren Elementen waren, die zu Fehlentscheidungen bei den größten M&A-Desastern in der Geschichte geführt haben. Kognitive Verzerrungen des Bayer-Vorstandes dürften zu einem gewissen Teil wohl auch den Kauf von Monsanto erklären. Hierbei könnte es sich um ein Beispiel für Affektheuristik handeln. Diese tritt immer dann auf, wenn wir zum Beispiel für eine Investition oder Technologie ein besonders gutes Gefühl haben und dadurch das damit verbundene Risiko als besonders niedrig einstufen.

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Doch selbst wenn wir logisch denken, bedienen wir uns Heuristiken, um besser mit komplexen Fragestellungen zurecht zu kommen. Umso wichtiger ist es beispielweise bei der Strategiefindung, nicht in die Falle zu tappen, schwierige Fragen durch einfache, emotional zugängliche zu ersetzen. Wer zum Beispiel überlegt, ob eine Investition in den Sektor der Elektromobilität ein sinnvolles, zukunftweisendes strategisches Ziel darstellt, darf sich am Ende nicht zu dieser Option entscheiden, weil er aufgrund seiner unterbewussten Affinität zu Autos diese Option bevorzugt.

Entscheidungen, die aus Stimmungen heraus getroffen werden können problematisch werden, wenn sich die Stimmung umkehrt.

Zuweilen gibt es auch Vorkommnisse, die unser Denken und Fühlen derart beeinflussen, dass unsere Einstellung zum Risiko übermächtig emotional geprägt ist. Als im März 2011 in Honshu ein Tsunami eine Katastrophe auslöste, bei der Fukushima schwer beschädigt wurde und Radioaktivität austrat, dauerte es nur wenige Tage, bis sieben Kernkraftwerke in Deutschland vorübergehend stillgelegt wurden. Nur sechs Monate zuvor hatte man die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke noch bestätigt. Die mit der Atomenergie verbundenen Gefahren waren noch immer die gleichen wie vor dem Tsunami. Entscheidungen werden also auch aus Stimmungen heraus getroffen. Das kann allerdings Folgen haben, die der Stimmung nicht zuträglich sind.

Doch wie kann man sich vor solch falschem Denken schützen?

Anbei meine 8 Tipps für bessere strategische Entscheidungsfindung:

  1. Strategische Entscheidungen leben von guten Optionen. Zur Optionsgenerierung benötigen Sie sowohl Kreativität als auch analytisches Denken. Im Team generieren Sie mehr Optionen.

  2. Holen Sie sich die Meinung anderer ein. Diskutieren Sie Ihre Optionen mit Querdenkern. Nicht um sie zu verwerfen, sondern um die Positionen konstruktiv zu hinterfragen und eine andere Sicht auf die Dinge zu erlangen. Denn wir haben die Neigung, vor allem die Informationen wahrzunehmen, die unsere Wünsche und Annahmen bestätigen.

  3. Auch das Einbinden externer Dritter, die einen branchenfremden Blick auf die Sache mitbringen, kann dabei unterstützen, subjektive Erklärungen für komplexe Phänomene aufzudecken und schnelle Beurteilungen und Reaktionen zu verhindern.

  4. Treffen Sie keine strategischen Entscheidungen in Zeiten von Stress oder wenn Sie aufgewühlt sind. „When emotions rise, intelligence drops!“ Schlechte Laune, Stress und Druck machen uns angreifbarer für kognitive Verzerrungen.

  5. Binden Sie Experten eng in die Bewertung ein. Experten können und wollen nicht entscheiden. Geben Sie Ihnen nicht diese Rolle, sondern nutzen Sie die Fachmeinung, um sich zu fragen, ob Sie eventuell übertriebenes Vertrauen in Ihr Vorhaben legen. Sehr erfahrene Manager fallen leicht in die Vermessenheitsfalle.

  6. Halten Sie nicht an gemachten, offensichtlich schlechten Entscheidungen fest. Auch wenn diese teuer waren. Die Vergangenheit liegt hinter Ihnen. Strategische Entscheidungen treffen Sie für die Zukunft.

  7. Hinterfragen Sie Ihr Bauchgefühl. Welche Eigenmotivation leitet Sie zu dieser Entscheidung? Denken Sie immer daran: Ego ist teuer!

  8. Schaffen Sie eine normierte Bewertungsbasis, machen Sie Optionen vergleichbar und möglichst objektiv.

Niemand liegt immer richtig. Wer führt, muss Entscheidungen treffen und Risiken eingehen. Auch die Entscheidung für die neue Unternehmensstrategie bleibt ein Risiko, denn sie ist schlussendlich eine Wette auf eine ungewisse Zukunft. Umso wichtiger ist es, dass wir in Ergebnissen denken, uns erlauben, gemachte Entscheidungen zu hinterfragen, und den Mut haben, den Kurs zu justieren, wenn sich herausstellt, dass dies nötig wird.

Der schlimmste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen.

In diesem Sinne

Erfolgreiches Entscheiden!

Stephan Jansen